Schon
wenn die Eichhörnchen Julia von der Schule kommen
sahen (sie lauerten immer in der Baumkrone und spähten)
huschten sie vor Julias Fenster und warteten. Julias
Mama war stets noch arbeiten, wenn sie von der Schule
nach Hause kam.
Deshalb
rannte Julia sofort in ihr Zimmer und öffnete das
Fenster. Sie begrüßte die Eichhörnchen und lief dann
noch schnell in die Küche um sich ihr Essen aus dem
Kühlschrank zu holen. Nachdem sie die Nudeln, den
Reis oder die Kartoffeln (denn anderes gab es fast
nie) aufgewärmt hatte, ging Julia zurück in ihr Zimmer.
Jedoch nicht ohne vorher noch eine Tüte Nüsse zu holen
- schließlich wollten ihre kleinen Freunde auch etwas
zu Mittag essen. "Wie war es heute in der Schule,
Julia?", fragen die Eichhörnchen. Und dann beginnt
Julia zu erzählen. Sie war heute gut in Sport, aber
in Deutsch nicht so gut. Und über Karlchen hat sie
wieder aufregen müssen! Er hat ihr wieder an den Haaren
gezogen, aber das war gar nicht das Schlimmste. Linda,
die doofe Zicke hatte sich über Julia lustig gemacht,
sie Zauskopf, Zwerg und Pünktchen genannt. Dabei konnte
Julia doch gar nichts dafür, dass sie kleiner war
als ihre Klassenkameraden, wilde Locken und Sommersprossen
hatte. Als Linda ganz böse gelacht hatte, wusste Julia
nicht, was sie sagen sollte. Wenn Karlchen ihr an
den Haaren zog, konnte sie ihm auch an den Haaren
ziehen, doch wenn Linda sie beschimpfte konnte sie
nichts machen. Julia war nicht besonders redegewandt.
Jedenfalls nicht in Deutsch. Sie konnte aufwühlende
Reden schwingen, Witze reißen und Geschichten erzählen
- aber nur in der Sprache der Eichhörnchen. Warum?
Weil sie einfach viel mehr mit den Eichhörnchen redete
als mit sonst irgendwem. "Ach, Julia! Lass dich nicht
von Linda unterkriegen. Die kann Menschen hintergehen
sonst nichts. Solche Menschen kommen nicht weit.",
sagten die Eichhörnchen. Wenn Julia fertig erzählt
und gegessen hatte, dann machte sie meistens ihre
Hausaufgaben. Die Eichhörnchen halfen ihr natürlich
dabei, damit sie schneller fertig wurde. War sie dann
endlich fertig, schnappte sich Julia ihren Schlüssel
und ging hinaus. Sofort begann sie den Kastanienbaum
zu erklimmen. Sie konnte gut klettern. Schließlich
tat sie es schon ihr ganzes Leben lang. Stundenlang
saß sie dann im Baum oder tollte mit den Eichhörnchen
von Ast zu Ast. Manchmal erschreckte sich eine alte
Frau, die nach oben sah, über das kleine Mädchen,
das durch die Kastanie tobte. Doch kaum jemand bemerkte
sie, denn Julia sprach nicht nur wenig, sie war auch
sonst sehr leise (die Sprache der Eichhörnchen war
mehr ein Flüstern). Niemand sah hinauf in den Baum.
Viele Menschen liefen unter der Baumkrone durch, doch
niemand achtete wirklich auf seine Umwelt. Man könnte
fast meinen, die Menschen würden mit geschlossenen
Augen durch die Welt rennen. Eigentlich traurig. Sobald
Julia das Auto ihrer Mutter hörte, huschte sie wie
ein Schatten vom Baum und kehrte in die Wohnung zurück.
Und so ging das jeden Tag, bis Julias Mama abends
nach Hause kam. "Wie war es denn heute in der Schule
Julia?", fragte sie immer. Julia zuckte nur mit den
Schultern und sagte: "Ach, alles war okay." Sie hatte
den Eichhörnchen schon alles erzählt, warum sollte
sie es noch einmal wiederholen? Bevor Julia ins Bett
ging, sagte sie den Eichhörnchen "Gute Nacht." Das
Fenster schloss sie nicht. Lieber fror sie oder nahm
sich eine weitere Decke, als ihren Freuden den Eintritt
in ihr kleines Reich zu verwehren. Die Eichhörnchen
halfen Julia bei allem was sie tat. Sie waren immer
da, wenn Julia sie brauchte. Wenn Julia traurig war,
dann trösteten die Eichhörnchen sie und brachten sie
wieder zum Lachen. Die Eichhörnchen waren Julias beste
Freunde.
weiterlesen |